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Augen auf! – Webwort zu Ostern 2017

2017-04-10 13:01:31

„Blicke sagen mehr als tausend Worte.“ Wir tauschen unzählige Blicke mit anderen – und doch hat jeder Augenkontakt etwas Faszinierendes. Unsere Augen sind das Fenster zu unserer Seele.Es sind die Augen, die mich bei diesem Bild faszinieren. Schon damals, als ich es im Landesmuseum Wiesbaden zum ersten Mal gesehen habe, war das so.Der Niederländer Matthias Stomer hat das Bild um 1630 unter dem Einfluss des Italieners Caravaggio gemalt (im Internet zu sehen unter: www.flickr.com/photos/hen-magonza/30721013472/in/album-72157674766397852 ). Es zeigt eine Ostergeschichte: die Begegnung von Emmaus.Die Augenpaare der vier Figuren sind hier tatsächlich Fenster zur Seele: Einer schaut erschrocken und erstaunt. Sein offener Mund und seine offene, flache Hand unterstützen das. Er wird vom Stuhl förmlich emporgerissen von dem, was er da sieht. Ein anderer verdreht die Augen nach oben, eigentümlich verklärt. Es wirkt fast, als habe er eine Sehschwäche. Aber seine ehrfurchtsvoll gefalteten Hände machen deutlich: Im unbekannten Mitwanderer hat er gerade Jesus erkannt. Aus dem Hintergrund schaut ein Wirt in die Szene. Seine Augen sind fragend und gespannt auf das Gesicht Jesu gerichtet. Die Augen Jesu schließlich fixieren das Brot auf dem Tisch, ähnlich wie seine linke Hand. Konzentriert, den Mund zum Segenswort geöffnet und die rechte Hand gerade zum Segnen in die Höhe erhebend, sitzt er in leicht gedrehter Körperhaltung da. Seine rechte Schulter ist bereits aus dem Bild gedreht. Es wirkt, als würde er im nächsten Moment aufstehen und davongehen.Und genau so ist es: „Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. …. „Ihre Augen aber wurden geöffnet und sie erkannten ihn; und er wurde unsichtbar, (weg) von ihnen.“ (LK 24, 31; Friedolin Stier, Münchner Neues Testament) so kann man übersetzen.Den Jüngern werden die Augen geöffnet, da geschieht etwas an ihnen. Jesus wird unsichtbar, er entfernt sich von ihnen.Hier geht es – wie eigentlich in der ganzen Emmausgeschichte – ums Sehen. Der Maler Matthias Stomer hält genau jenen Moment, in dem die Augen geöffnet werden, fest. Und er bannt diesen Moment in die Gesichter, näher hin in die Blicke.Jeder sieht und erkennt den Auferstandenen. Aber jeder sieht ihn anders! Der Künstler lässt - im wahrsten Sinn des Wortes - unterschiedliche Perspektiven - „Durchblicke“ - auf den Auferstandenen zu.Stomers Gemälde ist für mich ein sehr modernes Bild. Es zeigt: Es gibt nicht die eine Sichtweise der Auferstehung Jesu. Viele Perspektiven sind möglich und sie sind nicht verfügbar, machbar. Sie alle sind ganz nah dran am Geschehen. Auch wenn alle rein äußerlich dasselbe sehen, so erkennen sie doch nicht das Gleiche. Der Blick auf die Auferstehung ist individuell.Das Bild ist im Original in Lebensgröße. Als ich vor dem Bild stand, hatte ich den Eindruck, mit am Tisch zu sitzen. Ich wurde als Betrachter in die Szene hineingezogen. Alles ist so täuschend echt: die Gewandfalten, das Brot, die Kerze und ihr Lichtschein. Direkt vor mir wird eine Art heiliges Theater entfacht.Das provoziert die Frage: Welche Augen werde ich machen? Wie sehe ich Jesus? Wie werden mir die Augen geöffnet? Sehe ich in Jesus den göttlichen Herrn, vor dem mir nur Anbetung bleibt? Staune ich und kann kaum glauben, was und wen ich da sehe? Oder schaue ich fragend und erwartend auf ihn?An Ostern geht es um den Blick auf den Auferstandenen: Wie sahen ihn die Jünger damals? Wie sehe ich ihn heute? Frohe Ostern und Augen auf!Mathias Wolf, Diakon