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Beten

Als ich vor Jahren in unserer Pfarrei Treffen für Eltern neugetaufter Kinder angeboten habe, war auch immer ein Tisch mit Materialien dabei. Regelmäßig war es ein Büchlein, dass das größte Interesse bei den Teilnehmenden hervorrief: „Oh Gott, mein Kind will beten!“ heißt es.

 

Erfreulich, dass sich viele anlässlich der Taufe ihres Kindes (wieder) ans Thema „Beten“ heranwagen; doch wer gehofft hatte, im Büchlein einfach zu übernehmende, „richtige“ Formulierungen für das Beten zu finden, wurde enttäuscht.

 

Denn Beten bedeutet immer, aus der eigenen Lebenssituation heraus vor Gott zu treten. Beten kann nie abstrakt sein. Selbst wenn ich einen Gebetstext übernehme, bin immer ich es, der / die betet.

 

Im Einleitungsvers des heutigen Sonntagsevangeliums (Lk 18, 1-8) sagt Jesus seinen Jüngern – und somit auch uns - durch ein Gleichnis, dass sie / wir allezeit beten und darin nicht nachlassen sollen.

 

Ich möchte mich im Folgenden auf einen Aspekt zum Thema beschränken, wohlwissend, dass sowohl das Gleichnis, und erst recht das große Thema „Beten“ noch sehr viel mehr enthält.

 

Durch die arme Witwe zeigt Jesus im Gleichnis auf, dass Beten bedeuten kann, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und Gott durchaus selbstbewusst und fordernd entgegen zu treten. 

Die Witwe findet sich nicht mit dem ab, was ihr angetan wurde, sondern kämpft um ihr Recht. Ihre Hartnäckigkeit gründet darin, dass sie sich vor Gott im Recht weiß. Und so ist in der ganzen Bibel der arme oder geschundene Mensch, der laut zu Gott schreit, ein Urbild des Betenden und insofern Vorbild für uns. 

Denn indem sie sich unbeirrt und beharrlich an Gott wendet, nimmt die betende Person die Haltung des Aktiven ein und verlässt die Opferrolle. 

Und auch für denjenigen unter uns, die innerlich verhärtetet, unbarmherzig und abweisend sind wie der Richter im Gleichnis, gibt es eine frohe Botschaft:

Du musst nicht der hartherzige Mensch bleiben, zu dem Dich andere oder Du selbst Dich gemacht haben; nimm Dein Leben in die Hand. Wenn Du Dich nur immer wieder hartnäckig an Gott wendest, wird er jedes noch so verhärtete Herz verwandeln! 

Es ist nicht zu spät…

Von Kerstin Kilb (Pastoralreferentin)