Caritassonntag 2025
In diesem Jahr heißt das Motto der Caritaskampagne #Da kann ja jeder kommen!
Da kann ja jeder kommen! Eine provokante Formulierung, die sich die Caritas da für dieses Jahr ausgesucht hat.

Da kann ja jeder kommen! Je nach Betonung kann es abwertend oder wertschätzend klingen.
Es ist kurz vor Mittag, als es an meiner Bürotür klopft. Wer hat denn jetzt schon wieder die Tür zum Gemeindezentrum offengelassen? Jetzt kann ja jeder reinkommen. Ein wenig missmutig öffne ich die Tür. Da steht mir eine Frau gegenüber. Das Leben hat in ihrem Gesicht Spuren hinterlassen. Ihre Kleidung könnte eine Wäsche vertragen. Schon beim ersten Satz beginnt die Frau zu weinen. Sie befinde sich in einer Notlage, sagt sie mir. Kein Geld für Medikamente, die sie dringend braucht. Kein Geld für eine Mahlzeit und alle Vorräte sind aufgebraucht. Die totale Katastrophe. Es ist wie immer, denke ich. Jetzt lässt sich nichts überprüfen. Alle Behörden haben geschlossen, die meisten Hilfsstellen auch. Ärger steigt in mir auf. „Da kann ja jede kommen“, denke ich. Vielleicht sollte ich sie irgendwie abwimmeln. Gleichzeitig tut mir die Frau aber auch leid. Wieviel Überwindung hat es sie wohl gekostet, an meiner Tür zu klopfen, zu bitten und zu betteln? Am liebsten würde ich jetzt mit ihr in die Apotheke gehen und anschließend einkaufen. Doch dafür habe ich keine Zeit. In einer halben Stunde muss ich in der Schule sein. Was tun? Am Ende gebe ich ihr etwas Geld. Das ist mehr Gewissensberuhigung als echte Hilfe.
Das ist eine Alltagserfahrung, die ich schon häufig gemacht habe. Oft kommen hilfesuchende Menschen ungelegen und werden abgewiesen. Oft brechen wir über Menschen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung den Stab, ohne uns die Mühe zu machen, mit ihnen zu reden, ohne sie zu fragen, was sie denn wirklich brauchen. „Da kann ja jeder kommen“, so denken wir und manchmal sagen wir das auch. Vermutlich hat jede und jeder schon einen Menschen abgewiesen, an der eigenen Haustür, in der Fußgängerzone der Innenstadt oder an anderen Orten. Und jede und jeder hat vermutlich auf die ein oder andere Weise in seinem eigenen Leben selbst schon mal Zurückweisungen erlebt. Das sind verletzende Erfahrungen. Zurückweisung tut weh. Verschlossene Türen schließen aus.
Offene Türen braucht es jetzt! Dann kann ja jeder kommen! Dann ist jeder eingeladen. Jeder darf kommen. Das ist auch die Haltung Jesu, der mit Sünder*innen speist, der jeden einlädt, der auf jeden Menschen eingeht, der ihm begegnet. Jesus weist niemanden zurück.
Es ist wie immer eine Frage der Haltung. Als Christen ist es eigentlich selbstverständlich, die Türen offen zu halten, den Menschen, die leiden oder verzweifelt sind, offen zu begegnen. Der Schritt von der Haltung zum Tun ist der scheinbar schwierige.
Die Caritas konkretisiert das, geht diesen Schritt. Sie hat sich dafür vor vielen Jahren das Motto gegeben: „Not sehen und handeln.“
Allerdings darf es nicht dabeibleiben, diesen Auftrag Jesu zu delegieren. Er muss sich auch in unserer eigenen Haltung und unserem Alltag zeigen, dort wo uns Menschen in Not begegnen. Natürlich braucht es die Fachstellen, die je nach Notlage professionell helfen. Genauso wichtig ist es aber, einen wachen Blick für die großen und kleinen Nöte der Menschen zu haben, die uns in unserem Alltag begegnen, die in unserer Umgebung leben und diesen Blick immer mehr zu schärfen. „Zu uns kann jede und jeder kommen.“, das ist einerseits die Zusage, dass die Türen der Caritas allen Menschen offenstehen. Zugleich ermahnt uns das Motto, wachsam zu bleiben und das eigene Reden und Tun immer wieder neu auszurichten, denn in vielen Alltagssituationen ist unsere eigene, konkrete Hilfsbereitschaft gefragt.
Und schnell können auch wir in Situationen geraten, in denen wir Hilfe anderer benötigen, offene Türen brauchen.
(Auszug aus einer Predigt von Pastoralreferent Christof Reusch)