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„Der Herr hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten.“ (vgl. Jesaja 53, 10-11)

Was für eine Aussage! Was für eine Unverschämtheit! Was für ein Rätsel! Und: welch ein Trost! Ich nehme bewusst nur diesen einen Satz aus dem Kontext bei Jesaja heraus, weil ich glaube, dass dieser Satz geglaubt werden will. Dieser Satz ist nicht teilbar – er gilt ganz, oder gar nicht.

Wer schwer erkrankt, dessen Sicht auf das Leben ändert sich radikal: Nach einer Phase des Widerstands, die Krankheit zu akzeptieren, wird alles in Frage gestellt, Werte ändern sich, Pläne werden über Bord geworfen. Da sind die Schmerzen, die Trauer, die Wut, der Kampf, die Scham und schließlich das Einwilligen. Ja, da kann es durchaus vorkommen, dass man sich „zermalmt“ fühlt, erst recht, wenn es schwerfällt, das eigene Empfinden dem familiären, medizinischen, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld (manche mögen in Krankheiten eine „Strafe Gottes“ sehen) klarzumachen, erst recht, wenn niemand da zu sein scheint, der wirklich versteht. Zurückgeworfen auf den innersten Grund kommt der „Herr“, „Gott“ ins Spiel – in einer ebenso radikalen Weise wie die Krankheit selbst. Dieser hat „Gefallen“ – wohlgemerkt: nicht an der Krankheit, sondern „an dem von Krankheit Zermalmten“. Wie bitte, da ist noch wer, der sich an mir erfreut, obwohl ich mich selbst nicht mehr annehmen mag, gefangen in einem Zustand, den ich am liebsten loswerden mag? Und gerade dann beginnt erst die Verheißungsgeschichte, die Jesaja hier erzählt: Mein Leiden ist nicht umsonst, es ist eingebettet in einen größeren Sinnzusammenhang, der mich mit anderen (wieder) verbindet. Es steht nicht in meiner Macht, diesen Sinnzusammenhang selbst herzustellen, das tut Gott, aber ich kann darauf vertrauen, darauf hoffen, mich darauf freuen, dass sein Plan mit mir aufgeht.

Jutta Schmidt