Du musst gehen? Du kannst gehen… Du darfst gehen!
Das so klein und unbedeutend erscheinende Modalverb macht in meinen Augen den
Unterschied.
Loslassen ist -in meiner Wahrnehmung- eine der schwierigsten Übungen. Das Loslassen
geschätzter Gewohnheiten, das Loslassen der Kinder, wenn sie flügge werden und das
Haus verlassen. Das Loslassen des Partners oder der Partnerin, wenn die Beziehung zu
Ende geht. Das Loslassen, wenn ein geliebter Mensch oder das geliebte Haustier stirbt. Will
ich gehen lassen? Nein, wollen, will ich nicht! Kann ich loslassen?
Loslassen ist immer „etwas geht zu Ende“. Das bedeutet Abschied. Wir wollen uns nicht
verabschieden (müssen). Wir wollen festhalten und nicht gehen lassen. Doch ist dieser
Wunsch nicht egoistisch? Wenn es Zeit ist, zu gehen, dann ist es Zeit…loszulassen.
Also, so frage ich mich, ist es nicht der größte Liebesbeweis, den anderen gehen zu lassen?
Wo und wie kann sich meine Liebe, meinen Respekt mehr zeigen, wenn nicht im Loslassen -
ganz und gar?! Ganz und gar getragen von der Dankbarkeit für das, was ich haben durfte,
habe und haben werde.
Ja, denn in dem Loslassen gibt es auch ein „Werden“. Es gibt eine Zukunft, ein Leben voller
Liebe und Freude und… ja, auch Trauer. Doch an die Wegbegleiter:innen, die ich loslassen
musste, kann ich und darf ich zu jeder Zeit in Dankbarkeit und mit Freude denken…,
… denn sie sind auch Wegbereiter für ein neues Leben – ohne das alte zu verleugnen oder
gar zu vergessen. Wer gehen lassen kann, kann beides haben: Ich habe die liebende
Erinnerung und das Neue, welches ich voller Freude in meinen Gedanken teilen kann.
Wer ging, ließ auch mich los. Das ist wunderbar, denke ich. Und dann danke ich Dir,
geliebte:r Wegbegleiter:in und Wegbereiter:in, für diese liebende Erinnerung an das Alte und
die lebendige Erfahrung des Neuen.
Brigitte Alderton
Sozialraumorientierung St. Ursula