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Ein Jahr danach …

2011-01-18 15:17:43

Ein Cartoon aus der Zeitung ist mir im letzten Jahr immer mal wieder in den Sinn gekommen: Zwei Männer am Tresen in einer Kneipe. Der eine vor seinem Bier, deutlich niedergeschlagen und zerknirscht. Der andere wendet sich ihm zu und klopft ihm auf die Schulter. Darunter steht sinngemäß: Na, was ist los? Frau weggelaufen? Job verloren? Katholisch?Im vergangenen Jahr gab es immer wieder Zeiten, in denen es nicht einfach war, katholisch zu sein. Zu erschütternd und bedrückend war all das, was im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal bekannt wurde. Dabei schmerzte vor allem das Leid und Unrecht, was Menschen, vor allem Kindern angetan worden war, weniger das Imageproblem der katholischen Kirche. Ein Jahr ist es nun ungefähr her, dass der Stein ins Rollen kam. Diverse Beiträge in den Medien erinnern uns daran und ziehen Bilanz. Auch die Geschicke der katholischen Kirche in Oberursel und Steinbach hat die Entwicklung, die ein Brief des Jesuiten Klaus Mertes an ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs bundesweit auslöste, beeinflusst. Wenn man jetzt die Medienberichte liest und hört, dann erinnert man sich wieder an sehr bewegte Monate. In mehrfacher Hinsicht aufgewühlt hat es uns damals. Manche Menschen hat es so sehr verärgert oder betroffen gemacht, dass sie ihre offizielle Kirchenmitgliedschaft beendet haben.Viel ist seitdem beraten, analysiert und geschrieben worden. Die Problematik ist durchaus komplex und mit der schlichten Argumentation „Soll man die Priester doch heiraten lassen“ kommt man nicht weit. Manche guten Entscheidungen sind getroffen worden, um eine bessere Prävention zu gewährleisten. Zu den Akten legen, kann man die Problematik nicht. Wir haben als Kirche an Glaubwürdigkeit verloren. Scheinheiligkeit hat man uns vorgeworfen und tut es mitunter noch. Vielleicht manchmal zu Recht. Viel wird in der Zukunft davon abhängen, wie ehrlich sich die Kirche mit sich selbst auseinandersetzt und eine tiefgehende Ursachenforschung betreibt; beispielsweise der Frage nachgeht, inwieweit die ablehnende Haltung gegenüber Homosexualität Bedingungen schafft, die den Priesterberuf für in ihrer homosexuellen Entwicklung steckengebliebenen und damit für Missbrauch eher anfälligeren Männern attraktiv macht. Haltungen und Einschätzungen können sich ändern und haben sich bei vielen Menschen schon geändert. Es gab auch Zeiten, in denen man die Gedanken, dass eine Gesellschaft ohne Sklaven auskommen kann oder dass Frauen das Wahlrecht haben, vollkommen absurd fand.Auf die offiziellen Äußerungen der Kirche zu Themen wie Homosexualität oder den Zulassungsbedingungen zu den kirchlichen Ämtern haben wir „unten“, an der Basis wenig Einfluss. In vielen Gesprächen wird allerdings immer wieder deutlich, dass sich die Menschen mehr Bereitschaft zur Bewegung in ihrer Kirche wünschen. Die Sache mit der Glaubwürdigkeit ist allerdings keine Frage, die wir nach „oben“ delegieren können. Da kommt es auf jede und jeden einzelnen an, Tag für Tag, in den „Niederungen“ des Alltags. Wenn man uns glauben kann, dass wir mit Vernunft und Wille, mit Herz und Hand dem nachfolgen, der gekommen war, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen, dann haben wir wirklich etwas erreicht. Und wenn wir bei all unserem Mühen auch ehrlich und demütig mit unseren Schwächen und unserem Versagen umgehen, dann mag sich vielleicht auch der Vorwurf der Scheinheiligkeit verflüchtigen. Wie Isidor von Sevilla sagt: Liebe ist der Schutz des Heiligen und Demut ist der Ort, an dem sie wohnt.