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Erschütterung

Erschütterung....       Noch wissen wir sehr wenig: Domkapitular Dr. Christoph May hat sich das Leben genommen kurz
nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen ihn soweit plausibilisiert worden waren, dass der Bischof ihn –
entsprechend den geltenden Leitlinien – von seinen Aufgaben entbunden hatte, um eine
Untersuchung der Angelegenheit zu ermöglichen.
Wir trauern um ein Menschenleben. Wir trauern um diejenigen, die womöglich durch diesen
Menschen Leid erfahren haben. Wir trauern mit denen, die damit leben müssen, welche
Auswirkungen ihre Entscheidungen gezeitigt haben.
Jesus hat die Sünde stets ernst genommen. Gleichzeitig war er barmherzig zu denen, die zu Sündern
geworden sind. Beides muss uns leiten: Das Leid der Opfer ernst nehmen und gewissenhaft an der
Verhinderung von Unrecht zu arbeiten (Prävention). Ebenso wichtig ist es, Menschen nicht zu
dämonisieren bzw. mit ihrer Schuld zu identifizieren. Versöhnung heißt einen Weg aus der Sünde zu
finden.
Letztlich wissen wir nicht, was Christoph May in eine Lage gebracht hat, aus der er nur durch den
Suizid einen Ausweg gesehen hat. Ebenso wenig können wir einschätzen, welches Leid womöglich
durch ihn verursacht worden ist. Was ich sicher weiß: Ich selber bin anderen gegenüber schuldig
geworden (und werde es mutmaßlich immer wieder einmal). Dennoch behalte ich meine Würde als
Kind Gottes. Er liebt mich trotz meiner Abgründe. Das enthebt mich nicht meiner Verantwortung. Im
Gegenteil.

Pfarrer Andreas Unfried