Fronleichnam 2012 - Prozession
2012-05-15 20:36:58
Wir sind mobil – nicht nur zu erreichen, sondern wir sind es auch selbst. Wer nicht mobil ist, der gilt als nicht mehr zeitgemäß. Ständig sind wir in Bewegung. Unterwegs zu sein beschreibt längst durchgehend unsere Existenz. Unsere Biographie wird buchstäblich zum Lebens-lauf. Die Schnellstraßen der Moderne führen aber offenbar nicht zu allen Zielen. Das Pilgern und Wallfahren ist in. Der Jakobsweg, die Heilig Rock Wallfahrt nach Trier – Tausende machen sich auf. Das ist eine andere Art der Fortbewegung. Die Äußerlichkeit des Pilgerns stellt sich dabei in den Dienst einer „Innerlichkeit“ der Selbstvergewisserung. Beim Gehen eines äußeren Wegs möchte man auch bei der Erkundung des inneren Auslands vorankommen. Es geht nicht ums schnelle Ankommen. Pilgern ist der Ausstieg aus der Beschleunigung des Alltags und Berufs.Von Fahrzeugingenieuren ist zu lernen, dass man um so stärkere Bremsen braucht, je höher die mögliche Geschwindigkeit eines Fahrzeugs ist. Es klingt paradox, aber es stimmt: Wer schnell fahren will, braucht gute Bremsen. Die Ingenieure unserer modernen, mobilen Gesellschaft haben schlichtweg die Bremsen vergessen. Das schmeißt uns bei den kleinsten unvorhergesehenen Hindernissen aus der Kurve - wie beim Elchtest.Es ist also durchaus klug, Vorkehrungen zu treffen, dass der Lauf der Dinge angehalten werden kann. Der Wettlauf mit dem Tod ist eh nicht zu gewinnen, auch nicht mit dem Trick, die Erlebnisdichte pro Zeiteinheit zu erhöhen. Unterbrechungen, Verlangsamungen sind angesagt.Zum Fronleichnamsfest gehört vieler Orten die Prozession. Sie ist eine Pilgerfahrt im Kleinen. Diese Prozessionen sind heilsame Unterbrechungen – nicht nur weil sie an diesem Tag hin und wieder auch den Verkehr bremsen. Wer in einer Prozession unterwegs ist, der ist mobil und das doch ganz anders als heute erwartet. Bewußt schreitend, Lieder singend und betend unterwegs zu sein bedeutet, langsam, verweilend, ja meditierend nach vorne zu kommen. Wir lernen von Neuem laufen: ein anderes Schrittempo für unser Leben. Wir setzen uns in Bewegung, nicht weil wir gehetzt werden, sondern weil einer uns bewegt: Gott.Mathias Wolf, Diakon