Gespräch mit dem Brunnen
Im Tagesevangelium des dritten Fastensonntags spricht Jesus mit einer Frau am Ja-kobsbrunnen. Es ist Mittag und es ist heiß. Am Brunnen ist es vielleicht etwas kühler, womöglich schattig? – Somit ein einladender Ort für ein Gespräch.
Jesus ist allein, die Jünger sind beschäftigt mit Besorgungen in der Nähe. Die Frau kommt zur Mittagszeit, nicht wie die anderen Frauen am kühlen Morgen.
So treffen die beiden aufeinander und in der Situation ergibt sich ein Gespräch. Sie sprechen über den Brunnen und das Wasser und die Mühe, aus der Tiefe zu schöpfen. Aber zugleich ist auch klar, dass beide aneinander vorbei reden – oder besser: verschiedene Bedeutungsebenen von „Wasser“ meinen.
Das triviale Thema „Wasser“ am Brunnen wird aufgebrochen; Jesus erweitert es um eine transzendente Bedeutungsebene. Denn neben dem Wasser, das den wiederkehrenden Durst des menschlichen Körpers stillt, gibt es ein „Wasser“, dessen Pegel tiefer liegt und das wir Menschen auch alle brauchen: das „lebendige Wasser“, das Jesus selbst repräsentiert und anbietet; das „Wasser“, das den existentiellen „Durst“ der Seele stillt und zur inneren Quelle wird.
Die Szenerie sieht also aus wie ein Gespräch am Brunnen. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um ein Gespräch mit dem Brunnen, ein Gespräch mit der lebendigen Quelle selbst, mit Gott.
Das ist bemerkenswert und interessanterweise manchmal genauso im Alltag erfahrbar: Wenn wir meinen, wir seien in einem abstrakten Gespräch "über“ den Glauben oder in einer spontanen Begegnung zwischen „Tür und Angel“ – und dann bemerken, dass Gott selbst in dem Gespräch oder der Begegnung gegenwärtig war.
Glaubenserfahrungen passieren im Alltag – beim Wasserholen am Jakobsbrunnen oder beim Verabschieden an der Bürotür - denn Gott kann uns überall begegnen.
Wo ich mich im Gespräch, im Suchen und Sehnen Gott nähere, dort ist ER mir schon so nahe, dass ich längst in Kommunikation mit Ihm selbst bin.
Missverständnisse und Irritationen gehören dazu, das ist normal und war noch nie anders…