„Gönne dich dir selbst!“
2010-07-09 08:46:18
Sommerferien – das war für mich immer eine Zeit, die endlos vor mir lag. Prall gefüllt mit Versprechungen von langen, lauen Abenden im Freien, von Ausflügen mit Freunden und Nachmittagen, an denen ich im Garten herumliegen und mir die Sonne auf den Pelz brennen lassen würde. Ein bisschen wie bei Astrid Lindgrens Kindern von Saltkrokan.Jetzt sind die Ferien vorbei. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist – aber ich habe den Eindruck viele machen sich richtig Urlaubs- und Freizeitstress. So als gälte es alles nachzuholen, was man vorher verpasst hat. Ein wahres Horrorszenario. Die Zeit des Jahres, die gedacht ist zum Ausspannen und Auftanken, zum Regenerieren und neue Ideen sammeln, vollgestopft mit Terminen und Verpflichtungen. Da bleibt kaum Platz für Eigenes und Spontanes. Ich will ja auch niemanden enttäuschen oder hängen lassen. Und da stecken wir wieder mittendrin. Mein innerer Antreiber lässt mich nicht zur Ruhe kommen und jagt mich.Schon früher müssen die Menschen so etwas gekannt haben. So schreibt schon vor 900 Jahren Bernhard von Clairvaux, dessen Gedenktag am 20. August war, einem Ordensmitbruder, der Papst geworden war und immer wieder bei ihm Rat sucht:„Vernimm also, was ich tadle und was ich rate. Wenn du dein ganzes Leben und Denken auf die äußere Tätigkeit verwendest und für die Selbstbesinnung nichts übrig hast, kann ich dich da loben? Nein, darin lobe ich dich nicht. Ich glaube, daß dich auch sonst niemand loben wird…. Ja, für die äußere Tätigkeit ist es gar nicht von Vorteil, wenn ihr nicht die Selbstbesinnung vorausgeht. Willst du allen ganz gehören wie Paulus, der allen alles geworden ist, so lobe ich deine Menschenliebe, doch nur, wenn sie vollkommen ist. Wie kann sie aber vollkommen sein, wenn du dabei ausgeschlossen bist. Auch du bist ein Mensch. Soll also eine Menschenliebe voll-kommen und allumfassend sein, so muß ihr Herz, der alle Menschen in sich aufnimmt, auch dich in sich sammeln. Denn was hilft es dir, wenn du alle ge¬wännest, aber dich selbst verlörest. Wenn also alle dich besitzen, so sei auch du einer von denen, die dich be¬sitzen. Was sollst du allein um die Gunst deiner selbst betro¬gen sein? Wie lange noch bist du nur «der Geist, der ausgeht und nicht heimkehrt» (Ps 78,39). Wie lange willst du dich nicht auch selbst empfangen, wenn du unter den anderen an die Reihe kommst? Weisen und Toren bist du verpflichtet, und dir allein willst du dich versagen? Denk daran und gönne dich - ich will nicht sagen immer, ja nicht einmal oft, aber we-nigstens dann und wann - dir selbst. Wenn schon die vielen einen Vorteil an dir haben, so sollst du es doch auch einmal zwischendrin oder wenigstens nach den anderen.Du sollst dich nicht immer und nie ganz der äußeren Tätigkeit widmen, sondern ein Quentchen deiner Zeit und deines Herzens für die Selbstbesinnung zurückbehalten.“„Gönne Dich Dir selbst!“ Bernhard rät Papst Eugen III. bei aller Geschäftigkeit, die das Amt mit sich bringt, die Selbstbesinnung, den Rückzug auf sich selbst nicht zu vergessen. Denn nur, wer sich auf sich selbst besinnt, kann Gott begegnen.„Gönne Dich Dir selbst!“ Wir brauchen regelmäßig Momente, in denen wir uns selbst gönnen; in denen wir nicht in Aktion sind, sondern in Ruhe. Wie befreiend kann es sein, den Kreislauf der Aktivität einmal bewusst zu durchbrechen. Mir klar zu machen: Ich habe ein Recht darauf, einfach nur da zu sein. Nichts tun, nichts Wichtiges in Bewegung halten, keine Geschäftigkeit verbreiten.Auch Jesus hat sich hin und wieder „Auszeiten“ gegönnt. Jesus war nicht immer für alle zu haben – der Heiler, der Erklärer, der der zu allem einen Spruch parat hatte und überall mit angepackt hat. Er hat sich das Recht und die Zeit genommen, sich zurückzuziehen, für sich alleine zu sein und diese freie Zeit zu genießen. Oft ist er dazu auf einen Berg gestiegen, weit weg von den Menschenmengen. Oder er ist mit oder ohne seine Jünger auf den See gefahren.Sicher haben die Männer dort auch die Füße im See baumeln lassen und es genossen, die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Vielleicht sind ihnen gerade dabei die besten Ideen gekommen. „Gönne dich dir selbst!“ Vielleicht kann dieser Ratschlag ja über die Ferien hinaus bleiben.Manchmalträume ich davondass ich nicht immernur blühen mussSondern Zeitund Ruhe habeum Kraft für neue Triebezu sammelnMathias Wolf, Diakon