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Ich sage dir, steh auf.

2012-06-30 12:33:19

Eine merkwürdige Geschichte ist das, die wir am 1. Juli laut Leseordnung zu hören bekommen. An Heilungen haben wir uns ja schon gewöhnt, aber dass ein Mädchen zum Leben auferweckt wird und dass eine Frau Heilung findet, nur weil sie Jesus Gewand berührt, das ist schon für sich merkwürdig, dass diese beiden Geschichten dann auch noch ineinander verwoben sind, das ist eine weitere Merkwürdigkeit. Die Geschichte(n) finden wir bei Markus im 5. Kapitel (21-43) und interessant: die beiden Geschichten finden wir auf die gleiche Weise verwoben auch im Evangelium bei Lukas und Matthäus. Jairus bittet Jesus um Hilfe für seine Tochter, die im Sterben liegt. Jesus kommt mit. Auf dem Weg nutzt eine Frau das Gedränge, um Jesu Gewand zu berühren. Sich direkt an ihn zu wenden, darf sie nicht wagen. Sie ist wegen ihrer Krankheit unrein: Seit zwölf Jahren verliert sie Blut, verliert das, was für das Leben steht. Jesus bemerkt, dass eine Kraft fließt. Er wendet sich der Frau zu und in der Begegnung sagt er ihr Heilung zu. „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.“ Eine ungewöhnliche Anrede, soweit ich es überblicke, wird kein anderer Kranker bei Markus als „mein Sohn“ oder „meine Tochter“ bezeichnet.Zwölf Jahre alt ist die Tochter des Jairus. Nach Auskunft der Leute ist sie in der Zwischenzeit gestorben. Jesus ermutigt Jairus zu glauben. Er selbst bahnt erstmal einen Weg zu dem Mädchen. Die jammernden und klagenden Menschen, die ihn dann auch noch auslachen, wirft er kurzerhand hinaus. Nur drei Jünger und die Eltern nimmt er mit. Die Auferweckung ist schlicht: Er fasst das Mädchen an der Hand und heißt sie aufstehen. Und das tut sie. Warum sind diese beiden Frauengeschichten so ineinander verwoben? Vielleicht hat es sich einfach so zugetragen. Aber vielleicht war es auch eine gezielte Komposition. Biblische Geschichten wie diese sind ja doch kleine Kunstwerke, die es erlauben, sie vielschichtig anzuschauen und auszulegen. Und da ist es auch erlaubt, sie ganz gezielt mit heutigen Augen und heutigem Wissen anzuschauen. Mir ist beim Lesen dieser Geschichte die therapeutische Richtung eingefallen, die sehr stark mit dem sogenannten „inneren Kind“ arbeitet. Dabei wird davon ausgegangen, dass wir auch als Erwachsene ein inneres Kind in uns haben. Und dieses innere Kind hat, je nachdem was wir wann in unserer Kindheit erfahren haben, so seine Eigenheiten, Verletzungen und Krankheiten. Und manchmal klappt’s im Erwachsenenleben nicht so recht, weil das innere Kind schwer krank ist. Erst wenn es gelingt, mit diesem inneren Kind in Verbindung zu kommen und Heilung beginnt, lösen sich auch die Probleme des Erwachsenen. Was genau Markus im Sinn hatte, als er die beiden Geschichten so miteinander verwoben hat, werden wir nie ganz ergründen. Aber wir können es als geistliche Einladung verstehen, die Geschichten für uns ineinander zu spiegeln. Gibt es die Erfahrung, dass wir beständig an Kraft verlieren und das Leben irgendwie weniger wird, weniger intensiv, weniger erfüllt? Und kann es vielleicht sein, dass es mit unseren tieferen, früheren Schichten zu tun hat? Und dass dort der Ort wäre, uns von Christus ansprechen zu lassen: Ich sage dir, steh auf.Susanne Degen, Pastoralreferentin