Jesus rettet
„Jesus rettet. Komm!“ steht auf seinem Plakat. Er ist die Rolltreppe heruntergekommen, läuft durch die S-Bahnstation. Er spricht nichts, in seinen Händen nur das Plakat.
Er zeigt es den Wartenden, hält es ihnen vor die Nase, wie eine Werbung für einen Handyvertrag oder eine Kinovorstellung. Manche schauen durch ihn hindurch, manche sind in ihre Timeline versunken, manche scheinen sich absichtlich wegzudrehen: Bloß nicht ansprechen lassen von so einem. Hier auf dem vollen Bahnsteig unter der Hauptwache. Wer weiß, was der im Schilde führt… Dabei steht es auf dem Schild. Er redet nicht, lächelt die Menschen an, wenn sie ihn anschauen, lächelt, scheint von innen heraus zu strahlen aus seinen Augen, die aus einem zerfurchten Gesicht die Umstehenden beobachten. „Jesus rettet. Komm!“ Vielleicht ging es den Menschen zur Zeit Jesu ähnlich, überlege ich. Da ist einer, der so ganz anders von Gott redet, als sie das von den Schriftgelehrten, von den Pharisäern, von den Eltern und den Priestern kennen. Da ist einer, der in einem ganz anderen Kontext von Gottes großen Taten spricht, der lächelt und Kontakt sucht, wo die Konvention Kontaktscheue, Zurückhaltung und „bloß nicht ansprechen lassen“ verordnet. Da ist einer, der sich traut in den Untergrund zu steigen, mitten in die Menschenmenge und die Um-sich-selbst-kreisenden zu stören – ungelegen oder gelegen – mit einem Lächeln und der festen Überzeugung, dass Gott seinen Weg mitgeht.
Katrin Gallegos Sánchez