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Kaiser und Mönch – 500 Jahre Reichstag zu Worms

Am Nachmittag des 18. April 1521 nach der offiziellen Tagesordnung kommt es bei dem nach Worms einberufenen Reichstag um 16 Uhr zu der Begegnung von Kaiser und Mönch. Der 21-jährige Kaiser Karl V. und der 37-jährige Augustinermönch Martin Luther aus Wittenberg in Sachsen standen sich gegenüber. Um sie herum alle Vertreter des Reichs und die Legaten des Papstes.

Eigentlich wollte der neugewählte deutsche König und designierte Kaiser aus dem Hause Habsburg den aufrührerischen Mönch gar nicht einladen, aber er musste die Gunst der Fürsten im Reich gewinnen, wenn er sein Reformvorhaben durchsetzen wollte. Und es gab einiges was im Argen lag: der Ablasshandel blutete die Wirtschaft aus, die Ämterhäufung und das Machgebaren der Kirche untergrub die Bindungskräfte im Reich gegen äußere Feinde. Also lud er Luther vor, um ihn zum Widerruf zu zwingen. Papst Leo hatte ihn schon längst gedrängt, kurzen Prozess mit dem Mönch und Professor aus dem Norden zu machen.

So standen sie also einander gegenüber. Der junge Kaiser mit seinem Gefolge und Luther eher schüchtern und wenig überzeugend. Ihm wurden seine Schriften vorgelegt mit der Frage, ob sie von ihm seinen und ob er die darin enthaltenden Irrtümer widerrufe. Luther antwortete, er brauche Bedenkzeit, denn er könne nicht etwas widerrufen, was in den Evangelien Christi stehe, weil er sonst Christus leugnen würde und des ewigen Heils verlustig ginge. Ein geschickter Schachzug. Der Kaiser räumte ihm zum Erstaunen aller eine Gnadenfrist bis zum nächsten Tag um dieselbe Zeit ein.

Luther nutzte seine zweite Chance einen Tag später. Mit ihm waren offenbar auch breitere Volksschichten in den Saal gedrängt und es war eine aufgeladene Stimmung zu spüren. Luther ging nicht auf die erneute Widerrufsforderung ein, sondern nahm selbstsicher und professoral ausführlich Stellung. Seine Kernaussage: Wenn er aus der Bibel widerlegt werde, werde er seine Schriften widerrufen. Das gab es noch nie, dass ein einzelner Mönch sich gegen die Tradition und Lehre der Kirche stellte mit dem Verweis auf die Heilige Schrift und die Autoritäten so herausforderte. Sein Angriff auf die Tradition traf den Kaiser in seinem Selbstverständnis und damit war sein Urteil als Vertreter eines universalen Ordnungskonzeptes gefallen. Der berühmte Schlusssatz Luthers – später in Flugschriften werbewirksam verkürzt – brachte für den Kaiser das Fass zum Überlaufen. Luther schloss, er könne seine Meinung aufgrund der aufgeführten Schriftworte nicht ändern. „So lange mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helf mir. Amen.“

Dieser Rekurs auf das Gewissen, sicher eine rhetorische Glanzleistung, löste eine gewaltige reformatorische Bewegung aus, zumal Luthers Rede auf dem Reichstag bald überall in Drucken verbreitet wurde. Das Verhältnis zum Kaiser war allerdings definitiv zerstört. Sie sollten sich nie mehr wieder sehen.

„Daraufhin öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften…“ (Lk 24) so heißt es im heutigen Tagesevangelium nach Lukas. Es ist der Abschnitt unmittelbar nach der Emmauserzählung. Mit Blick auf die Geschichte von Kaiser und Mönch auf dem Reichstag in Worm heute vor 500 Jahren sieht man, dass es gar nicht so einfach ist mit dem Verständnis der Schriften. Wenn wir aktuelle Debatten in der katholischen Kirche sehen, ist es bis heute so. Eines lässt sich aber aus der Begegnung damals und den Ereignissen der Jahre danach mit den vielen gewaltsamen Auseinandersetzungen sicher lernen: Mit Macht lässt sich die Frage nach dem Verständnis der Schrift und des Willens Gottes für die jeweilige Gegenwart nicht entscheiden. Nur der offene und faire Dialog in der Achtung vor dem Gewissen der anderen ist des Wortes Gottes und seiner größeren Freiheit würdig!

Mathias Wolf, Diakon