Mit leeren Händen – wie ein Kind
2015-10-02 11:50:01
„Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ (Mk 10,15)Leider verrät Jesus uns nicht, an welche Eigenschaften eines Kindes er hier gedacht hat. Naivität? Leichtgläubigkeit? Unmündigkeit? Wohl kaum.Vernunft und Freiheit zeichnen den Menschen in besonderem Maße aus. Vernunft und Freiheit sind gute Gaben Gottes an uns – eine Sünde wäre es, sie selbstverschuldet verkümmern zu lassen. Nein, wer glaubt, darf und soll sich auch „seines eigenen Verstandes bedienen“ (Kant), soweit er oder sie das kann. Das Reich Gottes ist auch etwas für geistig Erwachsene.„Das Reich Gottes annehmen wie ein Kind“ meint vielmehr, so glaube ich:es mit leeren Händen annehmen.„Mit leeren Händen“ meint: ohne etwas, das wir um jeden Preis festhalten, das wir anstelle des lebendigen Gottes zu unserer obersten Priorität im Leben machen.Das können äußere Dinge sein: Erfolg, Prestige, Schönheit, Gesundheit, Geld, Macht, Sex. Das alles ist nicht in sich schlecht, aber es darf nicht unser höchster Wert sein – ansonsten leben wir unmenschlich.Das können aber auch fixe Ideen sein, vorgefertigte feste Meinungen, die wir nicht bereit sind zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren, feste Bilder von anderen Menschen, z. B. von Migranten, oder auch von Gott, z. B. das Gottesbild aus Kindertagen.Das Festhalten-Wollen gibt es aber auch in geistlicher Hinsicht: von Gott Glück, Frieden, Trost, schöne Gefühle haben wollen. Dann sucht man Gottes Gaben, aber nicht Gott. Gott wird damit zur „Kuh“ gemacht, die man melkt und die man wegen der Milch und des Käses liebt (Meister Eckhard), aber nicht um ihretwillen. Gott ist keine Sache, die man besitzen kann. Gott ist kein „etwas“, sondern ein „jemand“.„Mit leeren Händen“ meint also: loslassen, um sich auf den lebendigen Gott einlassen zu können (Reinhard Körner).„Mit leeren Händen“ meint schließlich: Ohne etwas, womit wir Gottes Liebe „bezahlen“, sie uns „kaufen“ wollen – seien es Gebete, Kirchgänge oder Spenden. Gottes Liebe ist bedingungslos – wir können sie uns nur schenken lassen. Das klingt simpel, ist aber oft hart: Es verlangt von uns Demut.