Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Musik ist nicht politisch,

sagte am Sonntagabend der junge Hornist nach seinem Konzert für Horn und Orchester in Darmstadt und spielte als Zugabe das Kaddisch im Gedenken an die Opfer des Terrorismus in Israel, eine sehr bedenkenswerte Zugabe, die nachdenklich stimmte.

Das „Hornkonzert, das die Schönheit des Klangs, die Harmonie und die beseelte Melodie feiert“ (so im Programmheft), und dann ein Kaddisch, eine sehr beeindruckende Musik, die unter die Haut ging. Trotz des Gedenkens an die Opfer in Israel, tat sich im Hören eine innere Ruhe auf.

Das Kaddisch ist ein Lob Gottes. Juden sprechen es, wenn ein naher Verwandter gestorben ist, also wenn sie trauern. Das Kaddisch wird in unterschiedlichen Formen zu unterschiedlichsten Gelegenheiten gebetet, - zu Beginn und zum Schluss des Gottesdienstes, als Totengedenken, als Abschluss des Lesens in der Tora. Damit stellen jüdische Menschen ihr ganzes Leben und Erleben immer wieder in die Hände Gottes, in die Hände des Heiligen.

Das Kaddisch ist ein besonderes Gebet. Es ist traurig und fröhlich zugleich. Es lobt Gott und fragt ihn, wo er bleibt, um einzugreifen. Es unterstreicht die Hoffnung, die Verheißung des Trostes. Kaddisch: ein Gotteslob. Für Trauernde heißt das: Ausgerechnet im schwierigsten Moment sollen Menschen Gott loben. Eine Provokation und ein Anstoß. Wie kann man Gott loben angesichts des Todes? 

Das Kaddisch ist nie nur traurig oder fröhlich. Das Kaddisch ist immer beides. Es widerspiegelt das Leben, das wirkliche Leben. Überhaupt gibt es im Judentum kein Freudenfest ohne ein bisschen Trauer und keinen Trauertag ohne einen Funken Freude oder Optimismus. 

 

Das Kaddisch ist in einer Sprache geschrieben, die heute kaum jemand mehr versteht, nämlich Aramäisch. Unverkennbar ähnelt das Kaddisch dem Vater unser, wie es im Neuen Testament überliefert ist. Das „Vater unser“ in seiner Urfassung ist auch in aramäischer Sprache geschrieben. Es handelt in den ersten Versen von der Heiligung des Namens über die Erwartung des Gottesreiches bis hin zum Lob von Gottes Herrlichkeit. 

„Erhaben und geheiligt werde sein großer Name auf der Welt, die nach seinem Willen von ihm erschaffen wurde. Sein Reich soll in eurem Leben in den euren Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel schnell und in nächster Zeit erstehen. Und wir sprechen: Amen!
Sein großer Name sei gepriesen in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten. Gepriesen sei und gerühmt, verherrlicht, erhoben, erhöht, gefeiert, hocherhoben und gepriesen sei der Name des Heiligen, gelobt sei er, hoch über jedem Lob und Gesang, jeder Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde, sprechet: Amen! 
Fülle des Friedens und Leben möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteilwerden, sprechet: Amen!
Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, stifte Frieden unter uns und ganz Israel. Sprechet: Amen!“

Das Kaddisch kann in unserer trostlosen Zeit zum Trost, zur Hoffnung werden. Sprechen wir „Amen“. Gott, wir vertrauen dir.

Anita Novotny, Gemeindereferentin