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Osterlicht

Dieser Tage flackern wieder auf vielen Gräbern die kleinen roten Lichter. Es ist ein alter Brauch, diese Lichter auf die Gräber zu stellen. Sie sollen zeigen, dass im Dunkel des Todes ein Licht ist; dass in der Kälte des Abschieds und der Trauer Wärme ist. Diese kleinen flackernden Lichter halten die Verbindung mit unseren Verstorbenen wach.

Dieser Tage flackern wieder auf vielen Gräbern die kleinen roten Lichter. Es ist ein alter Brauch, diese Lichter auf die Gräber zu stellen. Sie sollen zeigen, dass im Dunkel des Todes ein Licht ist; dass in der Kälte des Abschieds und der Trauer Wärme ist. Diese kleinen flackernden Lichter halten die Verbindung mit unseren Verstorbenen wach.
Ihr Licht kommt von Ostern. Die kleinen Totenlichter auf den Gräbern rufen den Ostermorgen ins Gedächtnis.

osterspaziergang

in aussichtsloser nacht
ein totenlicht ans grab bringen

aufbruchstimmung am wegrand
es knospen die ersten kreuzblütler

wer aber wälzt
den stein vom herzen

der neue morgen öffnet mir
engelgleich die augen

bei licht besehen
ist das grab kein endlager mehr

überwältigt betrete ich
den aufwachraum ins unbegrenzte.

Andreas Kapp


Der Priester und Dichter Andreas Knapp verfasst diese reimlose Doppelverse, die von einem Osterspaziergang erzählen. Es klingen Motive des Besuchs der Erzählung um die Frauen am Grab an (vgl. Mk 16, 1-8). Dort hinein mischen sich heutige Perspektiven unserer Gänge zum Grab. Zwei Zeitebenen vermischen sich: Wir werden mit hineingenommen ist die Emotion und Bewegung der Frauen. Ihre Fragen und Zweifel klingen an und zugleich die Weitung der Perspektive, dass das Grab eben kein Endlager mehr ist. Ihnen wurden die Augen vom Engel geöffnet - und uns? 
Im Licht des Ostermorgens kann man anders sehen lernen. Alles. Das ganze Leben. „Bei Licht besehen“, nach Aufhebung der Schranken des „gehaltenen“ Sehens, ist alles anders – auch der Blick auf den Tod. Das kann überwältigen. Es lädt ein zum Mitgehenin den Aufwachraum ins Unbegrenzte. Dieser „Aufwachraum“ ist eine Art „Zwischenraum“, ein „Vorort“ vor dem endgültigen Übergang ins Leben.

Vielleicht kann unser Weg zu den Gräbern unserer Lieben dafür der erste Schritt sein. 

Mathias Wolf, Diakon