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Ostern 2019

Da läuft einer auf mich zu – so ist mein erster Eindruck, als ich aus dem Trubel der Fußgängerzone in Augsburg die Kirche St. Moritz betrete. Bei genauerem Hinsehen entdecke ich: Aus der Tiefe des langgestreckten, weißen Kirchenraums kommt mir in windumwehtem Gewand Christus entgegen. Die rechte Hand hat er zum Segen erhoben und die linke streckt er mir offen entgegen.

Die Moritzkirche in Augsburg wurde 2016 neu gestaltet. Hierbei rückte der englische Architekt John Pawson die Figur des „Christus Salavator“ von Georg Petel (1601/2-1634) ganz in den Vordergrund. Sie wird zum Zielpunkt, auf den der Besucher zuläuft. Die barocke Kirche St. Moritz war im Krieg stark zerstört und danach sehr uneinheitlich wiederaufgebaut worden. 

Petel lebt in der Zeit der Pest und Religionskriege. Es ist interessant, dass er hier nicht den Gekreuzigten, sondern den wiederkommenden, den auferstandenen Christus zeigt. Der Blick auf die Zeit nach dieser Erdenzeit steht im Mittelpunkt. Dieses Bildmotiv des wiederkommenden Christus findet sich eigentlich in der byzantinischen Kunst mit Christus als „Pantokrator“. In der westlichen Kirche wird das Motiv des „Christus Salvator“ ab dem Spätmittelalter populärer. Als figürliche Darstellung, die selbst in Bewegung ist, findet sich das Motiv äußerst selten. 

Der Christus Salvator aus St. Moritz ist dynamisch. Fast schon eilend bewegt sich Christus auf den Betrachter zu. Aus der Distanz des Eingangs erscheint er überlebensgroß. Es wirkt, als würde er im nächsten Moment die Stufen herabschreiten. Bei näherem Zugehen auf die Figur entdecke ich: Sie trägt die Blessuren der Jahrhunderte noch alle an sich. Es ist nicht der unberührte Christus der Herrlichkeit, sondern der menschennahe Auferstandene, der im Alltag begegnet. Wirkt der Christus Salvator aus der Distanz noch überlebensgroß, so wird er bei der Annäherung immer kleiner. Tatsächlich ist die Figur mit 1,80 Metern lebensgroß gestaltet. 

Das Bild „Christus salvator“ von Georg Petel ist ein besonderes Osterbild. Es zeigt nicht die Auferstehung und auch keine Begegnung mit einem Jünger oder den Frauen am Grab. Eigentlich zeigt es gar kein biblisches Motiv. Diese Skulptur spannt in ihrer ganzen Dynamik einen weiten Bogen über die Zeiten bis in die Gegenwart und zugleich auch in die Zukunft. An den Wundmalen ist der „Christus salvator“ als Auferstandener zu erkennen, als Figur in der Kirche St. Moritz läuft er in die aktuelle Begegnung mit dem Besucher hinein und als Entgegenkommender verweist er auf die Wiederkunft Christi am Ende der Zeit.

Mich fasziniert diese Darstellung. Sie zeigt, dass Auferstehung nicht ein Ereignis in der Zeit vor 2000 Jahren ist, sondern dass sie eigentlich immer weitergeht. Der Auferstandene läuft auf mich und auf alle mitten in der Zeit zu. Er hält sich nicht fern, sondern ist in der Zeit und in der Welt. Und der optische Effekt, dass seine Proportionen immer menschlicher werden, je näher ich auf ihn zugehe, vertreibt in mir jede ängstliche Distanz. Je näher ich auf Christus zugehe, je näher er auf mich zukommt, um so natürlicher wird die Begegnung.

Ich finde: ein hoffnungsvoller Ausblick, weit über die Ostertage hinaus.
 
Mathias Wolf, Diakon