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Salböl und Königswürde

Am Palmsonntag bekommen wir in diesem Jahr die Passionsgeschichte von Matthäus zu hören. Zugegeben, es ist eine lange Geschichte. Und trotzdem sehr schade, dass der Auftakt dazu nicht gelesen wird.

Denn bevor Judas mit den Hohepriestern den Handel mit den Silberstücken eingeht und den Verrat beschließt, da ereignet sich eine besondere Geschichte: (Mt 26,7-13) Jesus war zu Gast im Haus Simons des Aussätzigen. Da „kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll kostbarem Salböl zu ihm, als er bei Tisch war, und goss es über sein Haupt. Die Jünger wurden unwillig, als sie das sahen, und sagten: Wozu diese Verschwendung? Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können. Jesus bemerkte ihren Unwillen und sagte zu ihnen: Warum lasst ihr die Frau nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer. Als sie das Öl über mich goss, hat sie meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. Amen, ich sage euch: Auf der ganzen Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.“

In einer Situation, in der der gewaltsame Tod Jesu allen vor Augen steht – Jesus selbst hat es klar in Worte gefasst – da schafft es diese Frau, die für uns namenlos bleibt, die Schockstarre der Angst zu überwinden und ein Zeichen der Liebe und Würde zu setzen. Sie erinnern sich: Bei David ist es der Prophet Samuel, der David auf Gottes Geheiß den Kopf salbt – und ihn damit kenntlich macht, dass Gott ihn zum König erwählt hat. – Jesus wird von einer Frau gesalbt, bevor ihn Pilatus fragt: „Bist du der König der Juden.“ Jesus bestätigt dies und macht gleichzeitig klar, dass sein Königtum nicht von dieser Welt ist. Da passt es durchaus, dass es eine namenlose Frau ist, die ihn salbt.

Und ja, sie salbt ihn auch für sein Begräbnis. Mit dem Öl, dem kostbaren Duft, da gibt sie ihm etwas mit auf seinen Leidensweg, was über den Moment hinaus bleibt, ihm anhaftet. In den Phasen der Einsamkeit, des Verrats, der Verleugnung, des Schmerzes – da wird er vielleicht noch etwas von diesem Wohlgeruch, von diesem Öl gespürt haben. Wenigstens ein Mensch, der ihm ganz leibhaftig etwas Gutes, Wohltuendes getan hat. Ich sehe es wie Jesus: man soll es ruhig erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.

 

Susanne Degen