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Webwort Ostern 2010

2010-03-12 21:21:41

„Bitte nicht berühren“ – Sie kennen diesen Satz auf Schildchen an Dekorationen und Auslagen teurer Geschäfte oder in Museen. „Bitte nicht berühren“ mit diesem Satz wird auch Maria Magdalena konfrontiert, als sie am Ostermorgen dem Auferstandenen gegenübersteht. In der lateinischen Übersetzung „Noli me tangere“ ist er uns geläufig. Ein Satz, der Geschichte geschrieben hat. Sogar eine Pflanze trägt diesen Namen. Er hat Künstler immer wieder zur Auseinandersetzung angeregt.Sie sehen hier Rembrandts Auseinandersetzung mit diesem Thema. 1644 entstanden, hängt es heute im Buckingham Palast. Es trägt den Titel „Christus und Maria am Grabmal“. Er malt die Szene kurz vor dem „Noli me tangere“.Man sieht den Garten, das Grab auf einer Anhöhe, auf gleicher Höhe rechts die finstere Höhle, links das Licht des Sonnenaufgangs. In der Mitte die beiden Figuren Jesus und Maria von Magdala, am Grab die beiden Engel. Von Ferne geschaut, entsteht beinahe der Eindruck, als handele es sich um ein Gesicht, mit zwei Augenhöhlen das linke Auge hell, das rechte Auge dunkel, zwischen beiden Augen die beiden Personen Jesus und Maria von Magdala.Diese scharfe Trennung von dunkel und hell prägt das Bild. Eine Vermischung zwischen beiden scheint von Rembrandt nicht gewollt. Bei der Frage von Tod und Auferstehung, von Nacht und Tag scheint es kein Zwischen, kein Mittendrin zu geben.Dem Bericht des Johannes zufolge ist Maria nach der Grablegung Jesu als erste vor Ort. Sie hat gesehen, dass der Stein weg ist. Bei Rembrandt hat man den Eindruck, Maria würde gerne zum leeren Grab hingehen und sie hält sich doch auf Distanz. Wie gut, dass der vermeintliche Gärtner auftaucht, den sie anspricht. Rembrandt malt ihm mit Gärtnerschippe in der Hand und Gärtnerhut. Dass Maria den Auferstandenen zunächst nicht erkennt, ist ein Motiv, das uns auch aus anderen Ostererzählungen bekannt ist. Dieses Suchen und Nichterkennen, das Verwechseln, das anfängliche Verstehen und das prompte Verschwinden ist grundlegende Erfahrung der Jünger.Maria Magdalena verwechselt und erkennt nicht gleich. Das kann für uns beruhigend und herausfordernd zugleich sein. Beruhigend, weil im Glauben nicht immer alles von Anfang an klar sein kann und muss. Herausfordernd, weil Maria nur zum Glauben kommt, indem sie dran bleibt, ihr Gegenüber nicht locker lässt und sich ansprechen lässt. Das erst öffnet ihr den Blick. Im Zentrum stehen Jesus und Maria Magdalena. Das Gewand des Auferstandenen ist hell erleuchtet, als ob es die Morgensonne der hellen Bildhälfte zu absorbieren scheint. Interessant ist die Richtung, aus der er kommt, eigentlich müsste er doch aus dem Grab steigen, aber er kommt aus dem Licht. Rembrandt lässt den Auferstandenen aus dem Morgenlicht auf die Höhle des Todes zugehen. Auferstehung macht den Tod nicht irgendwie ein bisschen heller oder gar ungeschehen. Der Auferstandene kommt nicht aus der Nacht heraus sondern bietet ihr die Stirn! Maria Magdalena: Sie liegt auf der Treppe zum Grab, ihr Mantel fließt aus dem Dunkel hervor. Ihre Hände, wie zum Gebet erhoben am Grabesrand, ihre Augen wenden sich Jesus zu, wir sehen ihre beiden Gesichtshälften fast von vorne. Ihr Gesicht ist in die beiden Teile hell und dunkel getrennt. Links der Engel, der ebenfalls Jesus zugewandt ist, der rechte Engel dagegen – nimmt, quasi als unser Repräsentant die ganze Szene in Augenschein.Rechts neben Maria malt Rembrandt das Fläschchen mit dem Salböl. Es ist mehr als ein Attribut, an dem wir Betrachter erkennen sollen, dass es sich um Maria Magdalena handelt. Im Bild kann Rembrandt gleichzeitig setzten, was im Leben hintereinander geschieht, so setzt er Magdala mit ihrer ganzen Lebensgeschichte ins Bild. Er zeigt in dieser Szene Maria, die Schwester von Martha und von Lazarus, der ja von Jesus wieder zum Leben erweckt wurde. Das Fläschchen deutet das biblische Lebensportrait der Maria Magdala an, das um das Thema Tod und Auferstehung herumkomponiert ist. Mit der Salbung in Bethanien hatte sie zu Lebzeiten die Salbung am Tag seines Begräbnisses vorweggenommen, sie hatte die Berührung, die ihr jetzt nicht möglich sein sollte, bereits vorweggenommen. Und nun war sie gekommen, den Toten nach damaligem Brauch zu salben. Das jetzt gesprochene „Noli me tangere“ müsste eher mit „Halte mich nicht fest!“ übersetzt werden. Was da geschieht, ist von solcher Qualität, dass man es nicht fassen oder gar festhalten kann. Einfacher wäre es schon für uns, wenn eine Berührung stattgefunden hätte, dann hätten wir im wahrsten Sinn des Wortes irgendetwas in der Hand. Doch vielleicht braucht Maria diese Berührung gar nicht, weil sie ihren Herrn ja längst berührt hatte. Sie hatte ihn gesalbt und damit für das Begräbnis vorbereitet. Im Leben war sie bereits dem Tod begegnet. Sie war berührt und so im Garten Gethsemane konnte sie auch das Leben im Tod erkennen. „Bitte nicht berühren!“ das bringt uns Christen immer wieder ins Schwitzen. Es ist nicht leicht sich einer Wahrheit zu öffnen, die nicht in Zahlen ausgedrückt noch in Händen gehalten werden kann. Klare und handfeste Argumente kämen besser an.Aber ausgerechnet darum geht es hier offenbar nicht. Maria erkennt, obwohl sie nicht berühren kann. Ihre lebensgeschichtliche Erfahrung erleichtert es ihr, im Tod das Leben zu entdecken, das eine ganz andere Qualität als der Tod hat. Maria wurde in ihrer Lebensgeschichte von Seiner Wahrheit berührt. Die Botschaft könnte lauten: „Du hältst nichts, du kannst nichts halten noch festhalten, und dies ist, was du lieben und wissen musst. Liebe, was dir entkommt, liebe den, der fortgeht. Liebe, dass er fortgeht!“ Noli me tangere – das gilt für jedes Kunstwerk. „Bitte nicht berühren!“ Es gehört zu Malerei, dass sie nicht berührt wird. Das Bild würde nicht nur auf Dauer zerstört, wir hätten auch nicht die nötige Distanz seine Botschaft zu verstehen. Das haben Kunst und Glaube gemeinsam: die Begegnung ist diskret und klingt wie am Ostermorgen erst im Fortgehen nach.Mathias Wolf, Diakon.