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Weihnachten: Medienwechsel

2018-12-09 19:37:20

Maria liest und Joseph hält das Kind. Diese interessante Rollenverteilung in der Heiligen Familie findet sich auf diesem Gemälde des Renaissancemalers Dossi Dosso um 1527/28 in den kapitolinischen Museen in Rom. Es zeigt einen spektakulären Medienwechsel.Überall sind wir von Medien umgeben: Handys, Laptops, Fernsehen …. Medien machen etwas sichtbar und begreifbar. Wir hören und sehen, was als Wellen unsichtbar in der Luft oder als Signal durch Leitungen unterwegs ist. Kann man Gott auch hören und sehen? Gibt es auch „Medien“ für Gott? Gott ist unsichtbar und als elektrisches Signal können wir ihn nicht verpacken. Wie lässt sich ein unsichtbarer Gott erkennen und welchen Namen hat er?Mit Medien – so die kurze Antwort der Menschen über die Jahrtausende. So entstanden Bilder oder Götterfiguren, denen geopfert wurde, weil man sie für Gott selbst hielt. Jedes dieser Götterbilder hatte seine ganz konkrete Aufgabe und Funktion. Durch diese Medien konnte man mit dem Göttlichen in Kontakt treten.Im Volk Israel kommt es zu einem spektakulären Medienwechsel: Nicht mehr die Götterbilder, sondern die Schrift ist das Medium mit Gott in Kontakt zu kommen. Der Gottesname Israels sind vier Buchstaben: JHWH. Ein Name, der mit Mose und dem Auszug aus Ägypten zugleich Programm wird (vgl. Ex 3,14ff.). Die „Heilige Schrift“ wird zum Gottesmedium. Jede Schriftreligion birgt aber auch eine Gefahr: Aus Schriftbesitzern können Buchstabengläubige werden. Es zählt nur noch der Buchstabe der Vorschrift. Immer wieder kämpft Jesus dagegen an.So kommt es mit dem Christentum zu einem folgenreichen Medienwechsel: Nicht durch tote Botschaften lässt sich der Geist Gottes konservieren, sondern der Mensch selbst kann zum Gottesmedium werden. Jesus Christus, der Sohn Gottes ist das fleischgewordene göttliche Wort, wie es zu Beginn des Johannesevangeliums heißt. Weihnachten ist die Wende von der Schrift zum fleischgewordenen Gottessohn.In Dossi Dossos kann man das begreifen: Maria liest in einem übergroßen Folianten in der Heiligen Schrift. Ihr Finger will die Buchstaben berühren. Und genau an dieser Stelle geschieht etwas Eigentümliches: Die Buchstaben verschwinden. Unter Marias Händen löst sich die Schrift auf. Maria ist gerade dabei, sich umzudrehen. Joseph hält ihr das Jesus entgegen; ihr Kopf ist bereits dem Kind hingewendet. Im nächsten Moment wird sie sich ganz umwenden. Sie wendet sich vom Buchstaben des Gesetzes ab und dem fleischgewordenen Wort zu.Das könnte der Impuls von Weihnachten sein: sich dem fleischgewordenen Gotteswort zuzuwenden und zu entdecken, wir Menschen können selbst zu Töchtern und Söhnen Gottes werden. Nicht mehr der Buchstabe des Gesetzes zählt, sondern der lebendige Mensch. Und Jesus ist dafür Maßstab und Modell. Das göttliche Wort kann Fleisch werden, jeden Tag neu – im Menschen; in uns.Der Mensch muss nicht mehr Götzen und ihren Bildern opfern, um sie zu besänftigen, sondern er kann in seinem Fleisch und Blut Gott selbst finden. Wir Menschen können göttlich werden, wenn wir uns nur ihm ganz glaubend anvertrauen.Vom Buchstaben zum Menschen; von der Schrift zum Fleisch, so lässt sich der menschgewordene Gott entdecken. Der Blick auf das Kind in der Krippe kann hierfür die Augen öffnen.Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!Ihr Mathias Wolf, DiakonDiese Gedanken sind entnommen: E. Nordhofen, Corpora, Herderverlag, 2018.