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Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein

Heute schreibe ich Ihnen ein paar Gedanken zur Erzählung von Jesus und der Ehebrecherin, dem Evangelium des fünften Fastensonntags.

Ehebruch ist Sünde – und Sünde bedeutet, dass etwas zerbrochen ist; Vertrauen ist dabei eigentlich immer in Mitleidenschaft gezogen – wenn nicht gar zerbrochen.

Somit stellt sich die Frage, wie Menschen, die vor dem „Scherbenhaufen“ ihres Vertrauens stehen, weiterleben können.

Die „Schriftgelehrten und Pharisäer", die Jesus dazu bringen wollen, die Ehebrecherin zu verurteilen, berufen sich auf das Gesetz des Mose. Tatsächlich steht dort: "Wenn ein Mann dabei ertappt wird, wie er bei einer verheirateten Frau liegt, dann sollen beide sterben, der Mann, der bei der Frau gelegen hat, und die Frau." (Dtn 22,22). Und diese Regel hatte sogar einmal einen verständlichen Sinn. Sie sollte eine Ausweitung des Konflikts über Mord und Totschlag bis hin zum Bürgerkrieg verhindern. Denn in den alten Stammesgesellschaften konnte Ehebruch existenziell bedrohliche Folgen haben. Der damals überlebenswichtige soziale Zusammenhang war durch blutige Streitereien gefährdet, und der Einzelne allein konnte ohne die Sippe nicht überleben. Ehebruch stellte somit eine große Gefahr dar. Darin lag der Sinn der strengen Strafe des mosaischen Gesetzes.

Doch zur Zeit Jesu sind die sozialen Bedingungen ganz andere. Ehebruch bleibt eine Sünde, aber eine solche, die vergeben werden kann. Wie wenig es den Anklägern der Frau um den ursprünglichen Grund des Gesetzes geht, kann man schon daran erkennen, dass nur die Frau gesteinigt werden soll; das Gesetz des Mose hatte den Mann noch unter die selbe Strafe gestellt.

In der Erzählung von der Ehebrecherin tappt Jesus nicht in die Falle, die ihm die Schriftgelehrten stellen. Denn er entzieht sich zunächst der Aufgeregtheit der Ankläger. Er nimmt eine ganz andere Haltung ein, indem er sich bückt und mit den Fingern etwas auf den Boden schreibt und zunächst nichts sagt; So schafft er einen Moment der Unterbrechung und der inneren Einkehr – um sich abzugrenzen und danach wieder aufzurichten und den Anklägern auf Augenhöhe zu begegnen.

Jesus lässt sich nicht darauf ein, die Sünderin zu verurteilen und lenkt die Aufmerksamkeit auf das eigene Verhalten derer, die ihn herausfordern und anklagen wollen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“

Während die derart elegant bloßgestellten Pharisäer und Schriftgelehrten nachdenklich und vielleicht beschämt die Szene verlassen, bleiben Jesus und die Frau zurück. Jetzt ist der Moment für persönliche Begegnung. In drei Sätzen knapp zusammengefasst, erfahren wir hier beispielhaft, was Seelsorge ist:

  • Jesus nimmt Anteil an der aktuellen Situation der Frau: „Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt?“
  • er teilt ihr mit, dass er sie trotz ihrer Sünde nicht verurteilt: „Auch ich verurteile dich nicht.“ Und
  • er sendet sie mit dem Auftrag, es künftig besser zu machen wieder in den Alltag zurück: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“

Vielleicht hilft uns die Erinnerung an diese Begebenheit auch in unserem Alltag weiter, wenn wir uns provoziert fühlen oder der Gefahr ausgesetzt sind, schnelle Urteile über andere Personen abzugeben? – Vielleicht hilft auch der „Seelsorge-Crashkurs“ in drei Sätzen, wenn wir einem niedergeschlagenen Menschen beistehen wollen?

Jesus zeigt jedenfalls den eleganten Weg: Unterbrechung und Perspektivwechsel! Beides ist sinnvoll, um eine Situation umfassender zu verstehen und zu entkrampfen. Und seelsorgliche oder freundschaftliche Zuwendung kann dazu beitragen, Zerbrochenes heilen zu lassen.