Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Evangelium Lk 7, Vers 1-10 - Predigt am 13.9.2021 im Rahmen der bundesweiten Frauenpredigtreihe von Susanne Degen

Liebe Christen, liebe Christinnen, ich bin es nicht wert – o, Herr ich bin nicht würdig -Lassen Sie uns über diesen Satz aus dem Evangelium und aus unserer Liturgie nachdenken. Zunächst zwei Erinnerungen: Ein Werktags-Gottesdienst in Unterfranken. Ich bin mit meiner Großmutter da. Bin dort, um sie zu nach einer Krankheit ein bisschen im Haushalt zu unterstützen. Ich bin 14 oder 15. Wir singen das Lied, das dort in fast jeder Werktags-Mmesse gesungen wird. Oh Herr ich bin nicht würdig, du aber mach mich würdig. Und ich denke: Nein. Warum singt meine Oma: oh Herr, ich bin nicht würdig. – Was soll denn ein Mensch noch tun, um als würdig erachtet zu werden? Sie hat so viel gearbeitet, 12 Kinder geboren und großgezogen, eines verloren, so viel ertragen und erduldet – glaubt und betet – tag für tag – ein ganzes langes Leben lang. Was denn noch? – um würdig zu sein.

Anderes Bild: ein neuer Papst ist gewählt. Jorge Mario Bergoglio. Er tritt vor die wartende Menge und mit das erste, was er sagt, ist: Betet für mich. Und beugt sein Haupt so tief er kann. Ein Moment für Gebet und Stille. – Ich bin beeindruckt von der Geste, Demut und Würde zugleich. Einer, der um das Gebet aller bittet – bevor er seinen ersten Segen für die Stadt und den Erdkreis spendet.

Zwei Erinnerung, die mit starken Bildern und Empfindungen verbunden sind. Und die um die Fragen von Würde, Würdigkeit und Demut kreisen. Schon ein Thema unseres Glaubens. Aber nun zu den Bildern des heutigen Evangeliums – was passiert da? Welche Szenen sehen wir? Jesus ist in der Stadt. In Kafarnaum. Und es spricht sich herum. Bis zu einem römischen Hauptmann. Erste Szene: Man kann sich einen Menschen vorstellen, der mit dem Tod ringt. Er ist ein Diener des Hauptmanns. Und dieser schickt nun einige der jüdischen Ältesten zu Jesus. Die Bitte ist einfach und groß: Komm und rette meinen Diener.

Zweite Szene: Sie kommen bei Jesus an und tragen die Bitte vor und legen ein gutes Wort für ihn ein.

Dritte Szene: Jesus macht sich mit ihnen auf den Weg. Und auf halbem Weg nun die unerwartete Begegnung. Der Hauptmann schickt nochmals Leute, seine Freunde und lässt ausrichten: Müh dich nicht, ich bin es nicht wert, dass du in mein Haus kommst. Sprich nur ein Wort, so wird mein Diener gesund.- Und auch die Begründung wird übermittelt, dass in einem einzigen Wort alles gesagt sein kann. Wenn der Wille zum Heilen da ist, genügt eben ein einziges Wort.

Der Hauptmann und Jesus: sie begegnen sich gar nicht leibhaftig. Und Jesus sieht auch den Kranken nicht, berührt ihn nicht. Jesus steht zwischen zwei Menschengruppen. Die Freunde des Hauptmanns, die die Bitte übermitteln. Und dann die Menge, die Jesus folgte: Nur zu ihnen redet er, teilt ihnen sein Erstaunen über den unglaublichen Glauben dieses Mannes mit.

Letzte Szene: Die Männer stellen beim Zurückkommen fest: Der Diener ist geheilt.

Eine ganz erstaunliche Geschichte des für einander Bittens – finden Sie nicht? Der eigentlich Kranke ist so krank, dass er offensichtlich gar nichts mehr kann. Der Hauptmann bittet für seinen Diener. Und die Freunde bitten wiederum für den Hauptmann.

Und ist Ihnen aufgefallen: Das eine Wort, das der Hauptmann ins Feld führt, das wird noch nicht einmal gesprochen. Jesus reflektiert mit den anderen die Ungeheuerlichkeit dieses Glauben, aber er spricht weder mit den Freunden des Hauptmanns, noch mit ihm selbst. Die Heilung vollzieht sich wortlos.

Was bedeutet dieses: Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst. – Ich wüsste keine einzige vergleichbare Stelle in den Evangelien. Nie sagt ein Mensch, der von Jesus geheilt wird, einen solchen Satz, dass er oder sie nicht wert wäre der Begegnung.

Zum einen kann es ja damit zusammenhängen, dass der römische Hauptmann darum wusste bzw. dass es ihm dämmerte, dass er Jesus mit seiner Bitte in die Bredouille bringt. Denn eigentlich darf ein frommer Jude, der der Tora folgt, nicht das Haus eines Heiden betreten. So funktioniert es also nicht. Das wird dem Hauptmann zwischendurch bewusst. Da ist eine physische Grenze. Da hilft nur der Sprung auf eine andere Ebene. Nein es braucht nicht die direkte Begegnung, das Hören, das Sehen, das Anfassen, das Aufrichten – alles das, was in anderen Geschichten so zentral ist – hier geht es ohne. Und es geschieht sofort.

Zum anderen könnte man vielleicht denken, dass der Hauptmann vielleicht Skrupel bekommen hat, dass Jesus als Jude für Heiden gar nicht zuständig ist. So abwegig wäre das ja nicht, Jesus hat selbst eine Weile gebraucht, um klar zu bekommen, dass er nicht nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt war. Aber das passt auch nicht: Der Hauptmann ist felsenfest davon überzeugt, dass er bzw. der Diener des Heils und der Heilung würdig ist.

Der Diener ist am Ende geheilt. Eine wunderbare Geschichte des Füreinanderbetens und -bittens.

Aber der Hauptmann hat nicht nur in dieser Hinsicht Erfolg – sein Satz hat gewissermaßen Karriere gemacht. Und ist ein fester Bestandteil in der Eucharistiefeier. Wenn der Priester zur Kommunion einlädt, sagt er: Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt. Und die Gemeinde antwortet: Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

Stellen Sie sich mal vor, Jesus könnte in diesem Moment hier sein und das hören. Was würde er denken? Würde er unseren Glauben loben oder würde er fragen: Was muss ich noch tun, dass sie sich würdig fühlen, dass ich zu ihnen komme. Habe ich nicht unzählige Male dieses Wort gesagt und ihre Seele geheilt. Habe ich ihnen nicht zugesagt, dass sie Kinder Gottes sind. Freunde. Hausgenossen Gottes, Erben. Was soll diese Rede, nicht würdig zu sein, dass ich zu ihnen komme.

Es bleibt ein anstößiger, widersprüchlicher Satz. Nicht würdig, nicht wert, dass Gott zu mir kommt. Und doch der Heilung, des Heils bedürftig und würdig. Und was soll denn Heil, Seelengesundheit anderes bedeuten, als dass Gott zu mir kommt, mich mit seiner Liebe, mit seinem Leben erfüllt

Ich weiß auch nicht, ob es immer für alle Menschen gut ist, so zu beten. Zu viel „nicht wert, nicht würdig“ tut denen, die ohnehin ihren Wert in Frage stellen, nicht unbedingt gut. Und ob es denen, die zur Selbstgefälligkeit und zur Überhöhung neigen, ins Herz geht, weiß ich auch nicht.

Vielleicht hilft es, bei diesem Satz zwei Perspektiven zu unterscheiden: Wenn ich mich mit meinen menschlichen Augen anschaue, dann werde ich immer etwas finden, was unvollständig in mir ist. Ewige Baustelle – so ein Seelenhaus.

Wenn ich die Perspektive wechsle und sozusagen mit Gottes Augen auf mich schaue, dann ist die Seele heil und vollkommen. Das macht sein Blick.

Eine Bitte, ein Aufbruch, eine Sehnsucht – das reicht. Gott ist doch schon längst auf dem Weg. Das Wort ist längst schon gesprochen. Und überwindet alle Grenzen und Hindernisse, die wir Menschen aufstellen. Überlassen Sie sich einfach Gott. Und lassen Sie sich von ihm sagen: Du bist würdig und wert und deine Seele ist heil - ganz und gar. Amen